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Walliser Kraftwerk Heidadorf, Visperterminen

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Walliser Kraftwerk Heidadorf, Visperterminen

Das Walliser Bergdorf Visperterminen am Eingang des Vispertals ist als Anbaugebiet des Weissweins „Heida“ bekannt. So ergab sich der inoffizielle Zweitname „Heidadorf“. Die sonnigen Rebterrassen der rund 1350 Einwohner zählenden Gemeinde erstrecken sich auf einer Höhe zwischen 600 und 1200 m. ü. M. und gehören zu den höchstgelegen Weinbergen Europas. In kurzen Terrassen mit hohen Trockensteinmauern überwindet der Weinberg auf engstem Raum über 500 Höhenmeter. Die Region bietet aber auch ideale Voraussetzungen für die Stromproduktion aus Wasserkraft.

 

Kostbares Wasser für Landwirtschaft und Stromerzeugung
Der idyllische Gibidumsee dient als Wasserspeicher und speist gleichzeitig die bekannte Suone "Heido". Suonen sind historische Bewässerungskanäle im Kanton Wallis, welche aus offenen Gräben bestehen. Sie transportieren das kostbare Wasser von den Gebirgsbächen - zum Teil auf abenteuerliche Weise - in die Weinberge, Obstplantagen und auf die trockenen Weiden und Äcker.

Bereits um 1900 wurde mit dem Bau eines Stollens durch den Berg Gibidum zur Bewässerung der hochgelegenen Weiler und Alpwirtschaften begonnen. Die Fertigstellung des rund 2,65 km langen Stollens, mit dem das gefasste Wasser des Gebirgsbachs Gamsa bis heute durch den Fels geleitet wird, dauerte rund 20 Jahre. Schon kurz nach dem Stollendurchbruch wurde 1916 das Kraftwerk Riedji in Betrieb genommen, in dem das Wasser der Gamsa ein erstes Mal genutzt wurde, bevor es im weiter unten gelegenen Kraftwerk Ackersand ein weiteres Mal turbiniert wurde.

 

Neubau mit zwei Zentralen
Mit dem Ablauf der Konzession des Kraftwerks Riedji wurden 2009 die ersten Planungen für einen Ersatzneubau der über 90 Jahre in Betrieb stehenden Anlage erstellt. Von der Konzeption bis zur Projektumsetzung des neuen Kraftwerks Heidadorf war der Energieversorger EnBAG aus Brig-Glis verantwortlich. Das neue Nutzungskonzept besteht aus einem Wasserschloss und zwei Kraftwerks-zentralen. Die erste Zentrale wurde unterhalb von Visperterminen beim Weiler Chrizji errichtet, die Zentrale im Tal im Ortsteil Stundhüs.
Die mit zwei eigenständigen Zentralen ausgestattete Anlage nutzt zur Stromerzeugung den Wildbach Gamsa (Gesamtfallhöhe fast 1.000 m). Als positiver Nebeneffekt dient ein beträchtlicher Teil des ausgeleiteten Wassers zur Versorgung der landwirtschaftlichen Betriebe entlang des Rohrtrassees.
 

Realisierung des Projekts
Brig-Glis wie auch die EnBAG beteiligten sich mit 40% an der neu gegründeten Kraftwerk Heidadorf AG, die Gemeinde Visperterminen mit 18% und der genossenschaftliche Energie-versorger EW Riedbach mit 2%.

Zur Projektumsetzung wurden mehrere Arbeitsgemeinschaften gebildet. Sechs Baufirmen übernahmen die fachgerechte Ausführung der Hoch- und Tiefbauarbeiten. Mit der Projektplanung wurden zwei Ingenieurbüros aus dem Wallis beauftragt. Die Teysseire & Candolfi AG aus Visp war für den oberen Abschnitt mit der Wasserfassung, dem Wasserschloss und dem ersten Teilabschnitt der Druckrohrleitung zuständig. Die weiterführende Rohrleitung ins Tal und die Zentralen Stundhüs und Chrizji wurde von Cordonier & Rey AG aus Siders geplant. Um den ehrgeizigen Terminplan einhalten zu können, wurde teils an bis zu neun Baustellen gleichzeitig gearbeitet.

Komplettsanierung der Wasserfassung
Die Bauarbeiten starteten mit der Komplettsanierung der Wasserfassung im Nanztal. Eine hydraulisch betriebene Wehrklappe dient zum Aufstauen der Gamsa. Über ein daneben montiertes Tiroler Wehr wird das Triebwasser ausgeleitet. Um die ökologische Durchgängigkeit zu gewährleisten, wurde an der Wehranlage ein Umgehungsgewässer angelegt, über welches gleichzeitig auch die ganzjährig konstante Restwasserdotation von 78 l/s abgegeben wird. Nach dem Tiroler Wehr wird das Wasser in einen offenen Entsander mit zwei Becken geleitet und fliesst danach durch eine oberirdisch verlegte Rohrleitung auf direktem Wege in den Freispiegelstollen.

 

Neues Wasserschloss Muttji
Zur Regulierung der Maschinengruppe Chrizji wurde nach dem Freispiegelstollen im Gebiet Muttji ein Wasserschloss errichtet. Dort werden von der maximalen Ausbauwassermenge von 875 l/s im Nanztal bis zu 225 l/s für die Wässerwasserversorgung der landwirtschaftlichen Betriebe abgege-ben. Im Wasserschloss wurden ein Coanda-Rechen und eine Rohrbruchsicherungsanlage installiert.

 

Selbstreinigender Coanda-Rechen
Beim Coanda-Rechen wird der sogenannte "Coanda-Effekt" genutzt, wenn das Triebwasser gleichmässig einen abgerundeten Wehrkörper überströmt und dabei von den feinen Rechenstäben abgelenkt wird. Er verhindert das Eindringen von Sedimenten und kleineren Wasserlebewesen ins Triebwassersystem. Er ist zum grössten Teil selbstreinigend, da alles Treibgut und Laub, das darauf zu liegen kommt, durch das Überschusswasser mitgerissen wird.

 

Rohrbruchsicherungsanlage
Diese Anlage schützt das Netz im Falle eines Leitungsbruches, indem die Wasserzufuhr automatisch unterbrochen wird. Das Gefahrenpotential einer Über-schwemmung wird dadurch wesentlich verringert. Zusätzlich bewahrt sie bei überhöhter Durch-fluss-Geschwindigkeit die Turbinenausrüstung vor Schaden.
 

Robuste ZMU-Gussrohre
Das Wasserschloss markiert den Beginn der 3,8 km langen, komplett unterirdisch verlegten Druckrohrleitung. Zur Verlegung der Rohre mussten Alpwiesen überwunden und teils auch Fels ausgesprengt werden. Wegen des unwegigen Geländes wurden die Rohre teils auch per Helikopter transportiert. Aufgrund der anspruchsvollen geologischen Bedingungen entlang des Rohrtrassees waren duktile Gussrohre mit Zementmörtel-Ummantelung (ZMU) die ideale Wahl. ZMU-Rohre haben eine aktive wie auch passive Schutzwirkung und bestechen durch ihre Belastbarkeit, Haftzugfestigkeit und Schlagbeständigkeit. Zusätzlich wurden in den Anlagen Formstücke mit etec® Rundum-Emaillierung wie auch Leitern und Schachtabdeckungen von Wild installiert.
 

Vollautomatische Stromprodukton
Zwei hocheffiziente 4-düsige Pelton-Turbinen erreichen bei vollem Wasserdargebot eine Maximalleistung von über 5,5 MW. Die Stromproduktion der beiden Zentralen erfolgt dem Stand der Technik entsprechend komplett vollautomatisch.
 

Strom für 4000 Haushalte
Das Kraftwerk Heidadorf wurde nach rund 18-monatiger Bauzeit am 3. Oktober 2018 feierlich eingeweiht. Bereits Anfang Dezember 2018 erzeugten die beiden Zentralen gemeinsam etwa 10 GWh Strom. Im Regeljahr kann das Kraftwerk rund 16 GWh Strom produzieren, der voll ins öffentliche Netz eingespeist wird. Somit deckt das Kraftwerk Heidadorf den Jahresstrombedarf von rund 4000 durchschnittlichen Haushalten.

Die Heidadorf AG investierte rund 16,5 Millionen CHF in den Bau der Anlage.

 

Technische Daten

Zentrale Chrizji                                                             Zentrale Stundhüs

•      Ausbauwassermenge: 650 l/s                                 •      Ausbauwassermenge: 600 l/s
•      Nettofallhöhe: 532 m                                               •      Nettofallhöhe: 450,2 m
•      Turbinen: 4-düsige Pelton                                       •      Turbinen: 4-düsige Pelton
•      Drehzahl: 1.000 U/min                                            •      Drehzahl: 1.000 U/min
•      Engpassleistung: 3.110 Kw                                    •      Engpassleistung: 2.430 kW
•      Hersteller: ANDRITZ Hydro                                    •      Hersteller: ANDRITZ Hydro
•      Generator: Synchron                                              •      Generator: Synchron
•      Nennscheinleistung: 3.350 Kva                              •      Nennscheinleistung: 2.600 kVA
•      Spannung: 6.000 V                                                 •      Spannung: 6.000 V
•      Hersteller: Hitzinger                                                •      Hersteller: Hitzinger

Jahresarbeit/Regeljahr: ca.16,5 GWh


Verantwortliche

Bauherr/Auftraggeber: EnBAG AG, Brig
Ingenieure: Teysseire & Candolfi AG, Visp; Cordonier & Rey AG, Siders
Bauunternehmer: Volken Group AG, Visp; Theler AG, Raron; Ulrich Imboden AG, Visp; Stoffel Josef AG, Bauunternehmung, Visperterminen
Rohrleitungsbau: Lauber IWISA AG, Naters; Josef Muff AG, Sarmenstorf

Technische Angaben

  • 3800 m duktile Gussrohre ZMU DN 500 und DN 600
  • Formstücke mit etec® Rundum-Emaillierung
  • Rohrbruchsicherungsanlage
  • Coanda-Rechen
  • Leitern und Schachtabdeckungen